Portrait-Stuttgarter Zeitung/Nachrichten, Susanne Benda, 31.08.2023

»Er will das Feuer weitergeben« Der junge Stuttgarter Pianist Maximilian Schairer hat seine erste Solo-CD herausgebracht … er setzt auf Social Media und glaubt an den „Domino-Effekt“ von guter Musikvermittlung. Ein Portrait.

»Wache Augen, ein Lächeln, eine ausgestreckte Hand … Es ist ein lebhaftes Gespräch, das sich zwischen dem 26-jährigen und der Journalistin entspinnt … Demnächst wird er sein Konzertexamen ablegen … Und dann? Wer heute als Künstler erfolgreich sein will, muss nicht nur fortwährend exzellente Leistungen erbringen, sondern außerdem noch permanent auf sich aufmerksam machen. Der Klassikmarkt ist, auch weil er ein Publikumsproblem hat, ein hartes Terrain … Schairer selbst setzt auf Social Media: „Das braucht zwar ziemlich viel Zeit, ich finde es aber sehr spannend – wenn man weiß, wie man dieses Medium bedient und welche Ziele man langfristig erreichen möchte. Mein Ziel ist es, Konzerte zu spielen und von Veranstaltern gebucht zu werden, und entsprechend bewege ich mich auf den verschiedenen Kanälen. Dadurch bin ich überregional bekannt, habe Kontakt mit tollen Menschen und bringe viele über Streams mit klassischer Musik in Berührung. Zugegeben, ein sinfonischer Neunzigminüter von Anton Bruckner tut sich nicht leicht in einem Medium, in dem innerhalb weniger Sekunden entschieden wird, ob man dranbleibt oder nicht. Wenn es aber gelinge, seine Begeisterung weiterzugeben oder auch Menschen einfach nur neugierig zu machen, könne „ein richtiger Domino-Effekt“ entstehen“. Für Schairer ist auch die Aktivität auf Instagram & Co. Teil eines Bereichs, für den er brennt: die Musikvermittlung. Schließlich spielt er nicht nur gerne auf der Bühne Klavier, sondern spricht auch gerne über Musik. Und erzählt gerührt von einem moderierten Schülerkonzert in Füssen, bei dem ein Junge, der offenbar noch nie zuvor mitteleuropäischer klassischer Musik begegnet war, allen Mut aufbrachte und in gebrochenem Deutsch Fragen stellte. Lehrer berichteten später, dieser Junge habe danach nur noch davon geredet, dass er auch „Klavier“ spielen wollte. …

Jetzt gibt er sein Solodebüt beim Label Hänssler Classic. Der Titel: „Gloaming“ – Das heißt: Dämmerung, Düsternis, Zwielicht. Es geht um Natur und Nacht, und zu hören sind Werke aus dem Zwischenreich zwischen Sonate und Fantasie. Beethovens „Mondscheinsonate“ („quasi una fantasia“) ist der Dreh- und Angelpunkt; hinzu kommen Schuberts „Wanderer-Fantasie“, laut Schairer „eigentlich eine Bilderbuch-Sonate“, und Mendelssohns fis-Moll-Fantasie, die der Komponist zunächst „Schottische Sonate“ nannte. Den Schlusspunkt bildet die im Bonner Beethovenhaus archivierte Skizze einer „Fantasia Sonate“ (Unv12) des 22-jährigen Beethoven, die motivisch eng mit dem zweiten Satz der „Mondscheinsonate“ verwandt ist.

Und weiter? Geht es nach Maximilian Schairer, dann wird er in Zukunft vielseitig tätig sein: unterrichtend (mit Vorliebe an einer Musikhochschule), konzertierend als Solist wie als Kammermusiker. Auch sein eigenes Stuttgarter Festival „Zukunftsklang“, das erst durch Corona ausgebremst wurde, dann durch die eigene Solokarriere, soll wieder aufleben.

Interesse an historischen Tasteninstrumenten, das ihn als Schüler zum ersten Jungstudenten in diesem Fach (bei Jörg Halubek in Stuttgart) machte, hat der Pianist zwar immer noch, spielt jetzt aber vor allem auf dem modernen Konzertflügel. Mit Historischem hat er sich beschäftigt, „um zu begreifen, wie sich Musik früher angehört hat“. Wie klingt zum Beispiel der erste Satz von Beethovens „Mondscheinsonate“, wenn man auf dem Hammerflügel durchgängig das Pedal hält? „Man kann“, sagt Schairer, „nicht alles auf dem modernen Flügel reproduzieren. Aber es hilft, es zu verstehen.“ …«